Regenbogenfamilien in der Schweiz

Um ein Kind zu zeugen, benötigt es nur eine einzige Ei- und Samenzelle sowie eine Gebärmutter, um das Kind bis zur Geburt zu entwickeln. Doch vielen Paaren, darunter jenen der LGBT+ Community, wird damit eine Hürde auferlegt.

In diesem Artikel möchten wir deshalb die Möglichkeiten beleuchten, die LGBT+ Paare in der Schweiz haben, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf die rechtlichen Aspekte, sollte ein Paar sich dazu entschliessen, für eine Behandlung ins Ausland zu gehen.

So können LGBT+ Personen ihren Kinderwunsch erfüllen

Nebst dem biologischen Aspekt muss auch der rechtliche miteinbezogen werden. Nicht alles, was heutzutage möglich ist, um einen Kinderwunsch zu erfüllen, ist in der Schweiz rechtlich erlaubt.

Gemäss Familienrecht im Zivilgesetzbuch (ZGB) entsteht in der Schweiz ein Kindesverhältnis nämlich

  • “zwischen dem Kind und der Frau, die das Kind gebärt, sowie
  • dem Vater, wenn die Eltern verheiratet sind. Ist ein Paar nicht verheiratet, so bedarf es der schriftlichen Vaterschaftsanerkennung.
  • mit einer Adoption”.

Dieser gesetzliche Umstand kommt vor allem dann zum Tragen, wenn ein Paar eine Eizellspende oder Leihmutterschaft in Betracht zieht, was wir weiter unten tiefgehender ausführen werden.

Optionen für LGBT+ mit Kinderwunsch

Samenspende

Die Samenspende ist in der Schweiz grundsätzlich erlaubt. Voraussetzung ist, dass die Spende einer Samenbank an ein Ehepaar geht. Seit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe haben nun auch schwule oder lesbische Paare dieses Recht. Samenbanken ist es folglich einzig untersagt, die Keimzellen an Personen, die nicht verheiratet sind, zu spenden.

Manche entscheiden sich deshalb dazu, privat nach einem Samenspender zu suchen. Entsprechende Plattformen stehen online zur Verfügung. Hierbei ist es allerdings wichtig zu wissen, dass der entgeltliche Erwerb von Keimzellen in der Schweiz unter Strafe gestellt wird. Das heisst, man darf die Person, die das Sperma zur Verfügung stellt, nicht finanziell entschädigen. Allerdings ist es üblich, dass Samenbanken für den zeitlichen Aufwand (für Untersuchungen etc.) eine Entschädigung auszahlen.

Weiter sollte man bedenken, dass bei einer privaten Spende gesundheitliche Risiken verbunden sind, sollte die Person, die das Sperma spendet, keinen Gesundheitscheck vollzogen haben. Konkret könnte sie beispielsweise mit dem HI-Virus angesteckt sein, ohne es zu wissen. Auch der rechtliche Aspekt ist wichtig: Da die spendende Person im Falle einer privaten Spende wahrscheinlich nicht die Vaterschaft anerkennen möchte (vgl. Einführung), wird lediglich die Mutter als rechtlicher Elternteil angesehen. Der Partner oder die Partnerin der Mutter hat somit keinen rechtlichen Anspruch auf das Kind. Das liesse sich jedoch mit einer Stiefkindadoption ändern (siehe Abschnitt Stiefkindadoption).

Social Freezing

Bei Social Freezing handelt es sich um das Einfrieren unbefruchteter Keimzellen aus nicht medizinischen Gründen (z.B. spätere Familienplanung). Werden Eizellen eingefroren, spricht man von Social Egg Freezing, werden Spermien eingefroren, nennt man das Social Sperm Freezing.

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Bei Personen, die ihre Eizellen entnehmen möchten, wird zunächst eine zweiwöchige Stimulation der Eierstöcke vorgenommen. Danach werden reife Eizellen in einem medizinischen Prozedere entnommen, während der oder die Patient:in unter Narkose steht. Beim Social Sperm Freezing ist es etwas einfacher: Der oder die Patient:in begibt sich in die Kinderwunschklinik, ejakuliert in einen Becher vor Ort und gibt die Spermaprobe dem Personal ab. Manchmal kann die Person auch zuhause ejakulieren und gleich im Anschluss die Probe in die Klinik bringen.

Die Keimzellen werden meistens bei -196 °C in einer Technik gelagert, die als Kryokonservierung (Tiefgefrieren in flüssigem Stickstoff) bezeichnet wird. Sobald ein Kinderwunsch besteht, werden die Keimzellen aufgetaut und es folgt eine Behandlung der assistierten Reproduktionsmedizin (siehe Abschnitt unten).

Social Freezing ist für trans Personen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen möchten, eine gute Option, ihre Reproduktion aufrechtzuerhalten. Möchten Kinder pubertätsblockierende Medikamente einnehmen, sollten Eltern mit der ärztlichen Fachperson unbedingt die reproduktive Gesundheit des Kindes besprechen. Manche Eltern und ihr trans Kind entscheiden sich nämlich dazu, die Einnahme von pubertätsblockierenden Medikamenten zu verzögern, damit sich die Keimzellen entwickeln, entnommen und eingefroren werden können.

Hormontherapie absetzen

Möchte eine trans Person einen Kinderwunsch mit eigenen Keimzellen erfüllen, muss in einem ersten Schritt betrachtet werden, welche Massnahmen in der Transition bereits ergriffen wurden.

Wenn ein trans Mensch geschlechtsangleichende Hormone einnimmt und noch seine Eierstöcke respektive Hoden besitzt, kann die Hormontherapie temporär gestoppt werden. Dadurch wird die natürliche Eizell- respektive Samenproduktion wieder angekurbelt. Die Keimzellen können im Anschluss mittels assistierter Reproduktionstechnik entnommen werden. Falls eine trans Person ihre primären Geschlechtsteile noch hat, kann nach dem Absetzen der Hormone und in einer entsprechenden Paarkonstellation auch eine natürliche Empfängnis angestrebt werden.

Assistierte Reproduktionstechnik

Wenn ein Paar auf natürliche Weise kein Kind zeugen kann, gibt es diverse medizinische Interventionen, die ihnen dabei helfen können. Diese fasst man unter dem Begriff assistierte Reproduktionstechnik (ART) zusammen.

Insemination

Bei einer Insemination werden Spermien in den Fortpflanzungstrakt derjenigen Person injiziert, die das Kind in ihrer Gebärmutter tragen wird. Man unterscheidet zwischen einer

  • IUI: intrauterinen Insemination (Gebärmutterhöhle),
  • ICI: intrazervikalen Insemination (Gebärmutterhals),
  • ITI: intratubalen Insemination (Eileiter),
  • IUTPI: intrauterine tuboperitoneal Insemination (Gebärmutter und Eileiter),
  • IVI: intravaginalen Insemination (Vagina).

Die IVI wird vor allem bei Samenspenden durchgeführt, wenn bei der Person, die das Kind austragen wird, keine Fruchtbarkeitsprobleme bekannt sind. Die IVI kann auch zuhause durchgeführt werden. Die IUI ist ein Verfahren, bei dem Spermien rund um den Eisprung direkt in den Uterus gespritzt werden, sodass die gesunden Spermien möglichst nahe an die Eizelle herankommen. Die ICI, ITI und IUTPI werden deutlich seltener eingesetzt als die IUI.

In-vitro-Fertilisation (IVF)

Bei der IVF wird die Eizelle ausserhalb des Körpers befruchtet. Dafür werden mehrere Eizellen im Untersuchungs- und Behandlungsraum extrahiert und im Labor mit den Spermien zusammengeführt. Es ist möglich, dass sich die entsprechende Person davor einer Hormonbehandlung unterziehen muss, damit der Ovulationszyklus stimuliert wird. Die befruchtete Eizelle wird im Anschluss in die Gebärmutter eingesetzt, wo sie wachsen und sich entwickeln kann.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Bei einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion wird im Unterschied zur IVF ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle injiziert. Die Samenzellen werden durch Masturbation oder operative Verfahren (TESE und MESA) gewonnen. Bei der testikulären Spermienextraktion (TESE) entnimmt man die Spermien den Hoden, bei der mikrochirurgischen epididymalen Spermienaspiration (MESE) durch die Nebenhoden.

Stiefkindadoption

Hat dein:e Partner:in bereits ein Kind aus einer früheren Beziehung oder lasst ihr euer Kind von einer Leihmutter im Ausland austragen (und der genetische Elternteil von euch ist dein:e Partner:in), so zieht ihr wahrscheinlich die Stiefkindadoption in Betracht. Leider sind die aktuellen Bestimmungen in der Schweiz sehr streng und berücksichtigen kaum die Umstände von LGBT+ Paaren.

Damit man sein Stiefkind adoptieren kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der oder die Gesuchsteller:in muss seit mindestens drei Jahren mit dem genetischen Elternteil des Kindes einen gemeinsamen Haushalt führen.
  • Der oder die Gesuchsteller:in und das Kind müssen seit mindestens einem Jahr im gleichen Haushalt leben.
  • Der oder die Gesuchsteller:in muss mindestens 16 Jahre älter als das Kind sein.
  • Wenn das Kind urteilsfähig ist, so muss es die Zustimmung für die Adoption geben.
  • Grundsätzlich muss der andere genetische Elternteil die Zustimmung zur Stiefkindadoption erteilen. Von der Zustimmung kann jedoch abgesehen werden, wenn dieser genetische Elternteil unbekannt ist (z. B. bei einer Samenspende über eine Samenbank), seit mehr als zwei Jahren mit unbekanntem Aufenthalt abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. Im Falle einer privaten Samenspende ist dieser Punkt jedoch weitaus wichtiger, denn rechtlich gesehen, ist der Samenspender der anerkannte Vater.

Adoption

Für Adoptionen kannst du dich an die Zentralbehörde deines Kantons wenden. Dort erhältst du die genaue Vorgehensweise. Grundsätzlich gilt bei Adoptionen in der Schweiz:

  • Ihr müsst als Paar verheiratet sein, mindestens 28 Jahre alt sein, seit mindestens drei Jahren zusammenleben und einen Wohnsitz in der Schweiz haben.
  • Der Altersunterschied zwischen den jeweiligen Elternteilen und dem Kind, das sie adoptieren möchten, sollte mindestens 16 Jahre betragen, jedoch nicht mehr als 45 Jahre.
  • Des Weiteren muss das Paar in der Lage sein, sich dauerhaft und angemessen um das Kind und seine Ausbildung zu kümmern. Um dies zu überprüfen, wird eine qualifizierte Fachperson mehrmals mit euch Gespräche führen.
  • Die Entscheidung zur Adoption wird immer im besten Interesse des Kindes getroffen. Dabei wird auch das Kindeswohl allfälliger anderer Kinder in der Familie berücksichtigt. Falls das Kind bereits in der Lage ist, eine Zustimmung zur Adoption abzugeben, wird diese ebenfalls berücksichtigt.
  • Zusätzlich müsst ihr für mindestens ein Jahr die Pflege und Erziehung des Kindes übernommen haben, bevor ihr es adoptieren könnt.

Weitere Informationen zum Adoptionsrecht in der Schweiz oder Adoptionen durch Einzelpersonen findest du hier.

Eizellspende

Die Eizellspende ist in der Schweiz nicht erlaubt. Bei der Eizellspende spendet eine Person ihre Eizellen an ein Paar, damit eine Kinderwunschklinik die Eizellen mit dem (Spender-)Samen zusammenbringen kann. Die Praktik ist auch dann nicht erlaubt, wenn ein trans Mann, der seine Eizellen eingefroren hat oder noch seine Fortpflanzungsorgane hat, die Eizellen seiner Partnerin oder einer Leihmutter spenden möchte.

Die Eizellspende rüttelt an einem Rechtsgrundsatz, das vor der Fortpflanzungsmedizin als ungebrochen galt: Mater semper certa est ("die Mutter ist immer sicher”). Das birgt rechtliche und ethische Risiken, wie wir weiter unten erklären. Ein weiteres Argument gegen die Eizellspende lautet, dass die Entnahme von Eizellen einen zu invasiven Eingriff für die Spenderin darstellt. Um Eizellen zu spenden, benötigt es nämlich zuerst eine Hormonstimulation, um die Eizellproduktion anzukurbeln. Anschliessend werden die Eizellen unter Narkose operativ entnommen.

Wie bei jedem medizinischen Eingriff bestehen somit gewisse Risiken. Es besteht die Gefahr, dass vor allem Frauen aus finanziell ärmeren Verhältnissen diese Risiken auf sich nehmen – da es üblich ist, für den zeitlichen Aufwand (z. B. Untersuchungen, Tests, Arzttermine) eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Nicht selten nehmen Paare aufgrund der Einschränkung eine Reise in ein Land auf sich, in dem die Eizellspende erlaubt ist. Was das für rechtliche Konsequenzen haben kann, erläutern wir weiter unten.

Leihmutterschaft

Bei einer Leihmutterschaft sucht ein Paar eine Frau, die für sie ein Kind austrägt. Das Kind hat dabei keinerlei genetischen Eigenschaften der Leihmutter (ausser, die Leihmutter spendet auch die Eizelle). Es gibt Paare, bei denen die Frau zwar Eizellen produziert, aber nicht in der Lage ist, ein Kind auszutragen.

Manche trans Männer, die nebst ihren Eierstöcken auch noch ihre Gebärmutter haben und eine Hormontherapie machen, fühlen sich bereit, die Hormone für die Eizellentnahme kurzfristig abzusetzen, aber unwohl beim Gedanken, das Kind auch auszutragen. In diesen Fällen können Leihmütter dabei helfen, einen Kinderwunsch zu erfüllen. Allerdings ist die Leihmutterschaft in der Schweiz nicht erlaubt. Sie ist auch dann nicht erlaubt, wenn es sich bei der Leihmutter um die Partnerin eines trans Mannes handelt, die den Embryo austragen möchte, der aus einer Eizelle des trans Mannes und einer Samenspende zustande gekommen ist.

Fazit

Es ist noch ein weiter Weg bis zur absoluten Gleichstellung von Regenbogenfamilien. Heutige Familienkonstellationen gehen weit über die traditionellen Familienbilder von heterosexuellen Paaren hinaus und die medizinischen Fortschritte in der reproduktiven Gesundheit aller Menschen geschehen schnell. So schnell, dass gesetzliche Veränderungen oft nicht mit dem Tempo mithalten können. Vor allem die Legalisierung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zeigt, dass die Bedingungen einer Stiefkindadoption die Elternrechte der LGBT+ Community zu wenig berücksichtigen, während das Verbot der Eizellspende und Leihmutterschaft für komplizierte Situationen sorgen kann, entscheidet sich ein Paar dazu, dafür ins Ausland zu reisen.

Egal, wie eure Familienform aussieht und welche Option ihr für die Familiengründung und Erfüllung eures Kinderwunsches ins Auge fasst: Lasst euch genug Zeit für die rechtliche und medizinische Beratung.

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