Erbkrankheiten betreffen 3–5 % der Neugeborenen. Erfahre, welche häufig sind, wie sie vererbt werden und welche Tests Klarheit schaffen.
Die wichtigsten Fakten zu Erbkrankheiten
- Etwa 3–5 % aller Neugeborenen weisen eine angeborene Erkrankung oder Fehlbildung auf
- Herzfehler sind dabei die häufigsten Erkrankungen
- Risikofaktoren sind das Alter der Eltern, familiäre Vorbelastung sowie Umweltfaktoren
- Folsäure, Jod, Impfungen und Schwangerschaftsvorsorge können das Risiko senken
- Bei der Präimplantationsdiagnostik werden Embryonen genetisch untersucht, bevor sie in die Gebärmutter der Frau eingesetzt werden
Genetische Untersuchungen schaffen Klarheit
Du bist vielleicht gerade schwanger oder planst eine Schwangerschaft? Vielleicht hast du dich bereits gefragt: Was ist mit Erbkrankheiten? Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Kind betroffen sein könnte? Und was kannst du im Rahmen deiner Familienplanung tun?
Keine Sorge, du bist nicht allein mit diesen Fragen. Nicht nur werdende Eltern, sondern auch viele Paare mit Kinderwunsch machen sich Gedanken über die Gesundheit ihres zukünftigen Kindes.
In diesem Artikel erfährst du alles Wichtige zum Thema Erbkrankheiten: Wie häufig diese Krankheiten sind, wie sie vererbt werden und welche Möglichkeiten es gibt, um durch genetische Untersuchungen Gewissheit zu bekommen.
Wie häufig sind Erbkrankheiten bei Neugeborenen?
Erbkrankheiten sind genetisch bedingte Erkrankungen, die von den Eltern an das Kind weitergegeben werden können. Etwa 3–5 % aller Neugeborenen weisen eine angeborene Erkrankung oder Fehlbildung auf, die durch genetische Faktoren oder äussere Einflüsse verursacht sein kann.
Doch nicht jede genetische Veränderung führt automatisch zu einer Erkrankung, denn die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung hängt von der Art der Erbkrankheit ab. Hierbei spielen die Erbanlagen, sprich Gene und Chromosomen, eine wesentliche Rolle. Diese Erbanlagen bestimmen, ob und wie eine genetische Veränderung weitergegeben wird und ob sie zu einer Erkrankung führt.

Was sind die häufigsten Erbkrankheiten in der Schwangerschaft?
Zu den bekanntesten genetisch bedingten Erkrankungen gehören:
- Herzfehler: Herzfehler zählen laut WHO zu den häufigsten Geburtsdefekten. Oft ist es eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren, die zu einem Herzfehler führt. Etwa 1 % aller Neugeborenen in den USA und Grossbritannien werden Studien zufolge mit einem Herzfehler geboren.
- Chromosomenstörungen: Veränderungen in der Anzahl oder Struktur von Chromosomen können schwere Entwicklungsstörungen verursachen. Dazu gehören beispielsweise Trisomie 21 und Trisomie 13.
- Trisomie 21 (Down-Syndrom): Hier liegt das Chromosom 21 dreifach vor, was zu kognitiven Beeinträchtigungen und körperlichen Auffälligkeiten führt. Etwa 1 von 700 Babys kommen mit Down-Syndrom auf die Welt.
- Trisomie 13 (Pätau-Syndrom): Eine sehr seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die mit Fehlbildungen des Gehirns, Herzens und anderer Organe einhergeht. Schätzungsweise ist 1 von 3’5000 resp. 1 von 5’000 Neugeborenen davon betroffen.
- Neuralrohrdefekte (z. B. Spina bifida): Diese Fehlbildung der Wirbelsäule entsteht durch eine unvollständige Schliessung des Neuralrohrs in der Frühschwangerschaft und betrifft etwa 2 von 1’000 Geburten weltweit. Ein ausreichender Folsäurespiegel kann das Risiko verringern.
- Mukoviszidose (Cystische Fibrose): Eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung, die die Lunge und andere Organe betrifft. In der Schweiz sind ca. 1 von 3’300 Neugeborenen betroffen.
- Sichelzellanämie: Eine genetische Bluterkrankung, die vor allem Menschen afrikanischer, mediterraner oder nahöstlicher Abstammung betrifft. Studien zufolge ist die Anzahl der Neugeborenen mit Sichelzellkrankheit in den genannten Regionen von 2000 bis 2021 um 13.7 % gestiegen.
- Thalassämie: Eine erbliche Störung der Hämoglobinbildung, die zu einer schweren Blutarmut führen kann. Etwa 1.5 % der Bevölkerung weltweit ist davon betroffen.
- Spinale Muskelatrophie (SMA): Eine neuromuskuläre Erkrankung, die zu Muskelschwäche und Bewegungseinschränkungen führt. Etwa 1 von 6’000 Babys wird mit SMA geboren.
- Hämophilie: Hämophilie ist eine X-chromosomal-rezessive Erbkrankheit, das heisst, das betroffene Gen liegt auf dem X-Chromosom. Daher haben Jungen ein höheres Risiko, an Hämophilie zu erkranken, weil sie nur ein X-Chromosom haben. Mädchen können Trägerinnen des betroffenen Gens sein, ohne selbst an Hämophilie zu erkranken. Etwa 1 von 5’000 männlichen Neugeborenen ist davon betroffen.

Tests auf Erbkrankheiten
Sowohl die moderne pränatale Diagnostik als auch die Präimplantationsdiagnostik bieten verschiedene Methoden zur Untersuchung genetischer Erkrankungen.
Genetische Tests vor der Schwangerschaft:
- Anlageträger-Test (Carrier Screening): Ein Gentest, der vor oder während der Schwangerschaft durchgeführt wird, um herauszufinden, ob Eltern Träger bestimmter genetischer Erkrankungen (z. B. Mukoviszidose) sind.
- Präimplantationsdiagnostik (PID): Bei einer künstlichen Befruchtung wie einer In-vitro-Fertilisation (IVF) oder einer ICSI kann der Embryo vor dem Einsetzen auf bestimmte Erbkrankheiten untersucht werden. Besonders geeignet ist die PID für Paare mit bekannten Erbkrankheiten oder vermehrten Fehlgeburten (habituelle Aborte).
Nicht-invasive Untersuchungen in der Schwangerschaft:
- Ultraschall: Bei Ultraschalluntersuchungen können bestimmte Fehlbildungen (z. B. Herzdefekt oder Gehirnfehlbildungen) sowie Wachstumsstörungen frühzeitig erkannt werden.
- Ersttrimester Test: Das Ersttrimester-Screening wird in der Regel zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Bei dieser Untersuchung wird die Nackentransparenz (NT) des Fötus gemessen. Eine erhöhte NT kann ein Hinweis auf Chromosomenstörungen oder Herzfehler sein. Im Rahmen des Ersttrimestertests werden auch bestimmte Hormone im mütterlichen Blut analysiert (PAPP-A und freies ß-hCG).
- Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT): Mit einer Blutprobe der Mutter kann bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche Hinweise auf Chromosomenstörungen wie Trisomie 21, 18 und 13 liefern. Bekannte Varianten sind der Harmony-Test sowie der Panorama-Test.

Invasive Untersuchungen in der Schwangerschaft:
- Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung): Dabei wird eine Probe des Fruchtwassers entnommen und auf genetische Veränderungen untersucht.
- Chorionzottenbiopsie: Eine Gewebeprobe aus der Plazenta ermöglicht frühzeitige genetische Analysen.
- Nabelschnurpunktion (Chordozentese): Eine Blutprobe wird aus der Nabelschnur des Fötus entnommen. Sie wird seltener durchgeführt als die Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie und kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn schnellere Ergebnisse benötigt werden oder bestimmte Bluterkrankungen des Fötus vermutet werden.

Die Entscheidung für oder gegen eine pränatale Diagnostik ist eine sehr persönliche. Sie wirft Fragen auf, wie mit einem möglichen Befund einer schweren Behinderung umgegangen werden soll. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein genetischer Befund nicht immer eine eindeutige Aussage über die Schwere der Behinderung und die zukünftige Lebensqualität des Kindes ermöglicht. Viele Menschen mit genetischen Erkrankungen führen ein erfülltes und normales Leben, während andere mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sind.
Risikofaktoren für Erbkrankheiten
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko für eine genetische Erkrankung erhöhen können:
- Alter der Eltern: Besonders Frauen über 35 und Männer über 40 haben ein erhöhtes Risiko für genetische Mutationen. Zudem nimmt die Qualität der Eizellen mit steigendem Alter ab, was das Risiko für Fehlgeburten und Chromosomenstörungen erhöht.
- Familiäre Vorbelastung: Wenn Erbkrankheiten in der Familie bekannt sind, besteht ein höheres Risiko für eine Vererbung. Dabei bestimmt die Art der Vererbung (dominant, rezessiv, X-chromosomal), wie hoch das Risiko für die Weitergabe der Erkrankung ist.
- Eigene genetische Erkrankung: Wer selbst von einer Erbkrankheit betroffen ist, kann diese unter Umständen weitergeben. Ist beispielsweise ein Elternteil von der Huntington-Krankheit betroffen, besteht für jedes Kind ein Risiko von 50 %, die Krankheit zu erben.
- Ethnische Herkunft: Bestimmte genetische Erkrankungen treten in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufiger auf. Beispiele sind Sichelzellanämie bei Menschen afrikanischer Abstammung oder Thalassämie bei Menschen mediterraner Herkunft.
- Umweltfaktoren: Obwohl nicht direkt genetisch, können bestimmte Umweltfaktoren während der Schwangerschaft das Risiko für angeborene Fehlbildungen erhöhen. Dazu gehören Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien oder Strahlung, unkontrollierter Diabetes mellitus oder andere chronische Erkrankungen der Mutter.
Schwangerschaftsvorsorge und Prävention
Eine umfassende Schwangerschaftsvorsorge kann helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen. Werdende Eltern mit familiärer Vorbelastung können sich genetisch beraten lassen. Zudem spielt eine gesunde Lebensweise, inklusive einer ausreichenden Versorgung mit Folsäure, eine wichtige Rolle bei der Prävention bestimmter Fehlbildungen. Daher ist es wichtig, dass Schwangere die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen.
Wie kann Erbkrankheiten vorgebeugt werden?
Obwohl viele Erbkrankheiten genetisch bedingt und nicht vollständig vermeidbar sind, lässt sich das Risiko bestimmter angeborener Erkrankungen durch präventive Massnahmen erheblich minimieren. Dazu gehören:
- Ausreichende Folsäureversorgung
- Angemessene Jodzufuhr
- Impfungen (insbesondere Röteln)
- Umfassende Schwangerschaftsvorsorge
Diese Massnahmen können dazu beitragen, das Risiko verringern, aber stellen keine absolute Garantie zur Prävention aller angeborenen Erkrankungen dar.

Häufig gestellte Fragen zu Erbkrankheiten
Was mache ich bei einem auffälligen Testergebnis?
Ein auffälliges Testergebnis kann für schwangere Frauen und werdende Eltern eine grosse Belastung sein. In solchen Fällen ist eine psychosoziale Beratung wichtig, um emotionale Unterstützung zu erhalten und informierte Entscheidungen treffen zu können. In der Schweiz haben Eltern nach einem positiven Befund die Möglichkeit, sich ausführlich über Optionen wie medizinische Behandlungen oder einen möglichen Schwangerschaftsabbruch beraten zu lassen.
Wie werden Erbkrankheiten übertragen?
Bestimmte Erkrankungen beim Fötus entstehen durch Veränderungen (Mutationen) im Erbgut. Die Vererbung kann auf verschiedene Weise erfolgen:
- Dominant-rezessiv: Eine Mutation in einem einzelnen Gen kann dominieren oder rezessiv sein. Dominante Mutationen zeigen sich bereits bei einer Kopie des veränderten Gens, während rezessive Mutationen nur wirken, wenn beide Eltern das defekte Gen vererben. Ein bekanntes Beispiel für eine autosomal-rezessive Erbkrankheit ist die Mukoviszidose. Hier müssen beide Elternteile Träger des defekten Gens sein, damit das Kind erkrankt.
- Chromosomale Anomalien: Fehler in der Anzahl oder Struktur von Chromosomen, wie Trisomien, können zu Entwicklungsstörungen führen. Auch die Geschlechtschromosomen können betroffen sein, z.B. beim Fragilen-X-Syndrom.
- Multifaktorielle Vererbung: Einige Erkrankungen entstehen durch ein Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren. Spina bifida (offener Rücken) ist ein Beispiel für eine Erkrankung, die durch eine Kombination von genetischen und Umweltfaktoren beeinflusst wird.
- Neumutationen: In seltenen Fällen kann es zu einer spontanen Mutation in einer Keimzelle (Ei- oder Samenzelle) kommen, die dann an das Kind weitergegeben wird, ohne dass die Eltern selbst betroffen sind. Ein Beispiel hierfür können bestimmte Fälle von Muskeldystrophie sein.
Genetische Diagnostik: Entscheidungshilfe für werdende Eltern
Wir alle tragen genetische Variationen in uns, doch nur ein kleiner Teil davon führt tatsächlich zu Erkrankungen. Dank moderner genetischer Untersuchungen wie der Präimplantationsdiagnostik (PID) lassen sich bestimmte Erbkrankheiten bereits vor einer Schwangerschaft minimieren.
Ergänzend ermöglicht die Pränataldiagnostik eine frühzeitige Erkennung von Erkrankungen während der Schwangerschaft. In Kombination mit genetischer Beratung und psychosozialer Unterstützung können Paare so fundierte Entscheidungen für ihre Familienplanung treffen.
In unserer Kinderwunschklinik in Zürich betreuen wir Kinderwunschpaare ganzheitlich und bieten ihnen ein umfassendes Spektrum an Dienstleistungen, das weit über die rein medizinischen Aspekte hinausgeht.