Erfahre mehr über die Präimplantationsdiagnostik in der Schweiz, das Verfahren allgemein und was du vorher bedenken solltest.

Wie funktioniert eine PID? Welche Informationen ermöglicht sie? Und warum ist die PID umstritten?

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein Verfahren an der Schnittstelle von Fortpflanzungsmedizin und Genetik, das seit dem 1. September 2017 in der Schweiz unter sehr strengen Voraussetzungen gesetzlich erlaubt ist. Es kommt bei Paaren zum Einsatz, bei denen ein erhöhtes Risiko für bestimmte genetische oder chromosomale Anomalien besteht. Diese können dem Nachwuchs schwere Erkrankungen vererben oder Fehlgeburten verursachen. In diesem Artikel erklären wir, in welchem Umfang eine PID in der Schweiz möglich ist.

Was ist die Präimplantationsdiagnostik?

Die Präimplantationsdiagnostik kommt bei Paaren zum Einsatz, bei denen eine ungeklärte Unfruchtbarkeit oder bei mindestens einem Elternteil eine schwere Erbkrankheit vorliegt. Bei der PID wird eine Zellentnahme bei einem im Reagenzglas durch IVF oder ICSI gezeugten Embryo durchgeführt und das Erbgut analysiert. Der Vorteil des Verfahrens besteht darin, Embryonen zu identifizieren, welche keine krankheitsrelevanten Mutationen oder Anomalien der Chromosomen aufweisen. Ein zweifelloses Ergebnis der Analysen kann allerdings nicht gewährleistet werden.

In der Schweiz erlaubt das Fortpflanzungsmedizingesetz die Untersuchung des genetischen Materials von Embryonen in vitro (im Reagenzglas). Deren Selektion nach Geschlecht oder zum Nachweis chromosomaler Eigenschaften ist nur zulässig, wenn:

  1. die Gefahr, dass sich ein Embryo mit einer vererbbaren Veranlagung für eine schwere Krankheit in der Gebärmutter einnistet, anders nicht abgewendet werden kann;
  2. es wahrscheinlich ist, dass die schwere Krankheit vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen wird;
  3. keine wirksame und zweckmässige Therapie zur Bekämpfung der schweren Krankheit zur Verfügung steht; und
  4. das Paar gegenüber der Ärztin oder dem Arzt schriftlich geltend macht, dass ihm die Gefahr nach Punkt 1 nicht zumutbar ist.

Unterschiedliche Methoden der PID

Die Methoden, mit denen Embryonen überprüft werden, heissen je nach Suchintention anders.

  • PGT-M (preimplantation genetic testing for monogenetic diseases): Methode für den Nachweis von monogenen Erkrankungen (z.B. Chorea Huntington)
  • PGT-SR (preimplantation genetic testing for chromosomal structural rearrangements): Methode für den Nachweis von Veränderungen in der Struktur der Chromosomen (z.B. Williams-Beuren-Syndrom)
  • PGT-A (preimplantation genetic testing for aneuploidies): Methode für den Nachweis von Veränderungen in der Anzahl der Chromosomen (z.B. Trisomie 21)

Das genetische Screening PGT-A wird vor allem bei Frauen über 35 Jahren eingesetzt, da die Qualität der Eizellen in höherem Alter abnimmt und die Chromosomen der Embryonen häufiger von numerischen Abweichungen betroffen sind. Eine solche Aneuploidie erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Fehl- oder Totgeburt.

Ablauf einer PID

Wer sich für eine Präimplantationsdiagnostik interessiert, erhält zunächst eine umfassende Beratung in einem Kinderwunschzentrum. In die PID ist jedoch nicht nur ein Kinderwunschzentrum involviert, sondern auch ein Institut, welches über eine Bewilligung vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Durchführung von genetischen Analysen verfügt. Aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben gibt es bis zur PID einige administrative Schritte und es muss ein Behandlungsvertrag mit den involvierten Instituten abgeschlossen werden. Sind die Formalitäten erledigt und wurde dem Paar die Durchführung einer PID bewilligt, folgen die nachstehenden Schritte:

  1. Fruchtbarkeitsanalyse: Bei diesem Schritt erfolgt eine Anamnese, eine gynäkologische Untersuchung (Gebärmutterkontrolle) sowie die Überprüfung der Fruchtbarkeit im Kinderwunschzentrum. Dafür wird mit einem Vaginalultraschall die Eizellreserve kontrolliert und mit einer Blutabnahme die verschiedenen Hormonspiegel gemessen. Bei Paaren mit ungeklärter Unfruchtbarkeit erfolgt dieser Schritt bereits vor der PID-Bewilligung; bei Paaren, die eine genetische Erkrankung vererben könnten, wird die Fruchtbarkeitsanalyse erst nach der Bewilligung durchgeführt.
  2. Stimulationsbehandlung: Als Nächstes erfolgt die hormonelle Stimulation. In dieser Zeit wird die Frau Medikamente zu sich nehmen und sich selbst Spritzen injizieren, um die Eizellproduktion anzukurbeln. Der Eisprung wird 36 Stunden vor der Entnahme im Kinderwunschzentrum mit einer weiteren Spritze ausgelöst.
  3. Eizellentnahme & Befruchtung: Für den nächsten Schritt geht das Paar ins Kinderwunschzentrum für die Eizellentnahme. Das Fachpersonal entnimmt durch die Vagina der Patientin mit einer Nadel die herangereiften Eizellen. In dieser ambulanten Operation steht die Patientin unter Narkose. Maximal 12 Eizellen dürfen im Labor mit den Spermien des Mannes durch eine In-vitro-Fertilisation (IVF) oder eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) befruchtet werden.
  4. Genetische Untersuchung & Besprechung der weiteren Schritte: Nach etwa 5 Tagen, wenn sich die Embryonen im Blastozystenstadium befinden, werden mit einer Glaspipette mehrere Zellen der äusseren Schicht der Embryonen, des Throphektoderms (Trophoblast), entnommen. Im Anschluss werden die Zellen auf ihr Erbgut hin analysiert und die Blastozyste wird währenddessen eingefroren. Sobald die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen, geht das Paar für die Besprechung des weiteren Vorgehens in das Kinderwunschzentrum.

Im Idealfall weist kein Embryo eine Anomalie auf. Es ist aber auch möglich, dass bei allen oder nur einzelnen Embryonen Anomalien identifiziert werden. Das Paar kann nun entscheiden, welche Embryonen es weiterverwenden möchte und was mit den restlichen geschehen soll. Es stehen die Optionen offen, mit einem oder mehreren gesunden oder ungesunden Embryonen die Schwangerschaft einzuleiten, die Embryonen für eine spätere Befruchtung einzufrieren, der Forschung zu spenden oder zu vernichten.

Wenn alle Embryonen Anomalien aufweisen und das Paar sie deshalb nicht weiterverwenden möchte, können sie sich für einen weiteren Behandlungszyklus entscheiden. In diesem Fall beginnt das Verfahren von Neuem.

Risiken der PID

Im gesamten Prozess der PID gibt es folgende Risiken zu beachten.

  • Risiko der Fehldiagnose: Die Analysen bieten keine 100-prozentige Sicherheit bezüglich der Ergebnisse. Um noch mehr Sicherheit zu erlangen, können Paare ein Verfahren der Pränataldiagnostik (vorgeburtliche Diagnostik) im Anschluss an die PID respektive das Implantieren des Embryos in die Gebärmutter während der Schwangerschaft durchführen lassen.

    In der Pränataldiagnostik unterscheidet man zwischen invasiven und nicht invasiven Methoden. Bei invasiven Methoden findet ein Eingriff in den Körper der Mutter statt (z.B. Plazenta-Punktion, Fruchtwasserentnahme oder Nabelschnur-Punktion), während bei nicht invasiven Methoden Bluttests oder Ultraschall-Untersuchungen (z.B. NIPT oder Nackentransparenz-Test) vorgenommen werden.
  • Risiko für den Embryo: Für den Embryo besteht die Gefahr, bei einer Anomalie nicht für die Einnistung in die Gebärmutter genutzt und somit vernichtet zu werden. Weiter besteht das Risiko einer Fehldiagnose, die erst während der Schwangerschaft festgestellt wird, woraufhin der Embryo möglicherweise abgetrieben wird.
  • Risiko für emotionales Wohlbefinden: Eine PID ist ein sehr emotionaler Prozess für die betroffenen Paare. Es müssen viele ethische Entscheide getroffen werden, was sehr belastend sein kann. Auch ist es beispielsweise möglich, dass alle gezeugten Embryonen eine Anomalie aufweisen oder nur ein gesunder Embryo gefunden wird, aber alle weiteren entsorgt werden.
  • Finanzielles Risiko: Kein medizinisches Verfahren kann eine Schwangerschaft respektive eine Lebendgeburt garantieren; die finanziellen Kosten sind unabhängig vom Verlauf selbst zu tragen.

Alternativen zur PID

Sind bei einem Paar die gesetzlichen Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik nicht gegeben, gibt es als Alternative die Polkörperdiagnostik (PKD). Bei einer PKD werden die Polkörper untersucht. Das sind von der Eizelle ausgestossene zelluläre Bestandteile, durch die die Mediziner:innen ein Abbild der genetischen Zusammensetzung der Eizelle erhalten. Allerdings ist bei diesem Verfahren nur die Analyse auf erbliche Erkrankungen möglich, die von der Mutter ausgehen.

Warum gibt es ethische Bedenken bei der PID?

Mit den verfügbaren Methoden kann weit mehr untersucht werden als nur Erkrankungen, die ab der Geburt des Kindes bestehen würden:

  • die Analyse des Embryos auf Eignung als Organ- und Gewebespender:in für ein erkranktes Geschwister
  • die Selektion des Geschlechts oder der Augenfarbe
  • die Analyse des Embryos auf mögliche Erkrankungen (z.B. Brustkrebs), welche nur eventuell im Erwachsenenalter ausbrechen, früh erkannt werden können und wofür es vielversprechende Behandlungen gibt.

Aufgrund dieser ethisch bedenklichen Möglichkeiten ist die PID in der Schweiz so streng reguliert. Vor allem im Rahmen der Abstimmung 2016 haben die Schweizer:innen über ethische Auswirkungen debattiert. Die Diskriminierung von Behinderten durch die Einteilung von “lebenswerten” und “nicht lebenswerten” Embryonen war Teil des Argumentariums der Gegner.

Die Nationale Ethikkommission (NEK) sowie die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) haben zum Thema eine eigene Stellungnahme verfasst, welche in die heute bestehende Gesetzgebung eingeflossen ist.

Fazit

Obwohl die PID keine 100-prozentige Sicherheit bei den Ergebnissen gewährleisten und keine Schwangerschaft oder Lebendgeburt garantieren kann, reduziert sie dennoch das Risiko von schweren genetischen und familiär gehäuften Erkrankungen sowie Fehlgeburten. Es müssen viele ethische Entscheidungen während der Behandlung getroffen werden. Nicht zuletzt deshalb ist das betroffene Paar einer starken emotionalen Belastung ausgesetzt. Wir empfehlen, dass sich Paare, die ihre Embryonen einer Pränataldiagnostik unterziehen, therapeutisch begleiten lassen.

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