Später Kinderwunsch? Dr. Wallmeier erklärt, wie Social Freezing helfen kann, was bei Fruchtbarkeit zählt und welche Chancen die moderne Medizin bietet.
Immer mehr Paare entscheiden sich spät für ein Kind – und erleben dann, wie schwer es sein kann, schwanger zu werden. Im Gespräch mit Radio 1 erklärt Dr. Dirk Wallmeier, ärztlicher Leiter bei Cada, woran das liegt, wie Social Freezing helfen kann und warum manche Unternehmen das Einfrieren von Eizellen mittlerweile mitfinanzieren.
Man hört häufig, dass Kinderwunschkliniken stark gefragt sind und es lange Wartezeiten gibt. Woran liegt das?
Dr. Wallmeier: Die Nachfrage ist tatsächlich stark gestiegen. Früher sagte man den Betroffenen oft: „Da kann man nichts machen – vielleicht hilft es, zu verreisen und auf andere Gedanken zu kommen.“ Heute haben wir viele medizinische Möglichkeiten, Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch zu helfen. Das spricht sich herum – entsprechend wächst die Zahl der Kliniken, aber eben auch die Wartezeiten.
Im eigenen Umfeld fällt auf, dass immer mehr Paare Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. Warum ist das so?
Dr. Wallmeier: Ein wesentlicher Grund ist, dass Paare ihren Kinderwunsch heute später verwirklichen. 1970 lag das Durchschnittsalter beim ersten Kind bei etwa 25 Jahren – heute sind es rund 33. Und mit zunehmendem Alter steigen die Herausforderungen: Bei Frauen nimmt die Eizellqualität ab, bei Männern beobachten wir vermehrt Auffälligkeiten in der Spermienqualität. Warum das so ist, ist nicht in allen Punkten geklärt.
Würden Sie sagen, es handelt sich um eine „Generation unfruchtbar“?
Dr. Wallmeier: Das würde ich so nicht sagen. Aber das höhere Alter spielt eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen Faktoren wie Stress, Schlafmangel, Umweltgifte und eine ungesunde Ernährung. Das alles wirkt sich negativ auf Eizellen und Spermien aus.
Eine Methode wird in dem Zusammenhang immer beliebter: Social Freezing – das Einfrieren von Eizellen. Was genau verbirgt sich dahinter?
Dr. Wallmeier: Beim Social Freezing lassen Frauen ihre Eizellen einfrieren, um sich die Option auf eine spätere Schwangerschaft zu erhalten. Denn mit zunehmendem Alter nimmt die genetische Qualität und Anzahl der Eizellen ab – das Einfrieren bewahrt sozusagen den jüngeren Zustand.

Wie läuft der Prozess konkret ab?
Dr. Wallmeier: Zunächst gibt es ein ärztliches Beratungsgespräch, in dem wir die Fruchtbarkeitsreserve bestimmen – also prüfen, wie viele Eizellen noch vorhanden sind. Ideal ist das Verfahren unter 35, sinnvoll meist bis etwa 40 Jahre. Danach ist die Wahrscheinlichkeit für genetisch intakte Eizellen deutlich geringer.
Dann folgt die hormonelle Stimulation der Eierstöcke, damit nicht nur eine Eizelle, sondern idealerweise 10 bis 15 gleichzeitig heranreifen. Diese werden in einem kurzen Eingriff unter Sedierung durch eine Follikelpunktion entnommen und anschliessend eingefroren.
Wie lange können Eizellen eingefroren bleiben?
Dr. Wallmeier: Theoretisch jahrzehntelang – in Grossbritannien wurde kürzlich ein Embryo nach 23 Jahren erfolgreich eingesetzt. In der Schweiz erlaubt das Gesetz aktuell eine Lagerung über zehn Jahre hinweg.
Und wie hoch sind die Erfolgschancen, wenn man die Eizellen später wieder verwenden möchte?
Dr. Wallmeier: Man setzt die Eizelle nicht einfach ein. Sie wird im Labor mit einer Samenzelle befruchtet – per ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion). Daraus entwickeln sich Embryonen, von denen der beste zum optimalen Zeitpunkt in die Gebärmutter eingesetzt wird.
Die Schwangerschaftschance liegt pro Transfer bei etwa 35 bis 45 Prozent. Das klingt erstmal nicht viel, aber wenn man bedenkt, dass ein Paar mit Kinderwunsch im natürlichen Zyklus im Schnitt zwölf Monate braucht, ist das durchaus beachtlich.
Social Freezing ist aufwändig – wie hoch sind die Kosten?
Dr. Wallmeier: Die Behandlung umfasst Stimulationsmedikamente, Ultraschall- und Laborkontrollen, den Eingriff selbst und das Einfrieren. Bei Cada kostet das inklusive fünf Jahren Lagerung ab 7’500 Franken. Wenn es nicht im ersten Versuch klappt, können weitere Behandlungen notwendig sein.
Manche Unternehmen übernehmen diese Kosten für ihre Mitarbeiterinnen. Ist das nicht ein Eingriff in die private Familienplanung?
Dr. Wallmeier: Ich sehe es eher als Benefit. Viele Frauen empfinden es als Angebot, das ihnen ermöglicht, ihre Karriere zu verfolgen, ohne durch die biologische Uhr unter Druck zu geraten. Es ist also eher ein Zeichen von Autonomie.
Und welchen Vorteil hat das Unternehmen?
Dr. Wallmeier: Frauen, die Social Freezing in Betracht ziehen, sind meist Anfang 30 und voll berufstätig. Wenn diese Schlüsselkräfte durch eine Schwangerschaft vorübergehend ausfallen, spürt das ein Unternehmen. Wenn sich eine Frau entscheidet, erst später Mutter zu werden, kann sie dem Unternehmen länger erhalten bleiben – das ist aus wirtschaftlicher Sicht oft attraktiv.
Also auch ein Stück Selbstbestimmung für die Frau?
Dr. Wallmeier: Ganz klar. Es geht darum, selbst entscheiden zu können, wann der richtige Zeitpunkt für ein Kind ist – ohne sich vom eigenen Körper einschränken zu lassen. Und auch wenn der Kinderwunsch irgendwann umgesetzt wird, ist es eben Teil des Lebens.
Wenn es nicht auf natürlichem Weg klappt – welche weiteren Möglichkeiten bietet eine Kinderwunschklinik?
Dr. Wallmeier: Zunächst führen wir eine Basisdiagnostik durch: Wo liegen die Ursachen – bei der Frau, beim Mann oder beiden? Manchmal genügt eine einfache Hormontherapie, um den Zyklus zu stabilisieren. Ein nächster Schritt wäre die Insemination – das Einbringen aufbereiteter Spermien zum optimalen Zeitpunkt in die Gebärmutter.
Und wenn das nicht reicht?
Dr. Wallmeier: Dann kommen wir zu den sogenannten IVF-Verfahren – also der künstlichen Befruchtung im Labor. Dabei werden Eizellen und Spermien ausserhalb des Körpers zusammengebracht. Wenn die Spermienqualität eingeschränkt ist, kommt die ICSI zum Einsatz – da wird ein einzelnes Spermium direkt in die Eizelle injiziert.
Klingt nach Hightech-Medizin – werden Sie manchmal gefragt, ob Sie „Gott spielen“?
Dr. Wallmeier: Kaum. Die Paare, die zu uns kommen, haben oft einen langen Leidensweg hinter sich. Wenn sie dann durch unsere Hilfe ein Kind bekommen, ist die Dankbarkeit gross. Und am Ende fragt auf dem Spielplatz niemand mehr, wie das Kind entstanden ist – Hauptsache, es ist da. Genau das ist unser Antrieb: Paaren zu helfen, ihren grössten Wunsch zu erfüllen.
Ob Social Freezing zur Vorsorge oder Kinderwunschbehandlung im konkreten Fall – die moderne Reproduktionsmedizin bietet heute vielen Paaren neue Perspektiven auf dem Weg zum Wunschkind. Wichtig ist, sich rechtzeitig zu informieren und individuelle Möglichkeiten ausloten zu lassen. In unserer Kinderwunschklinik in Zürich begleiten wir dich mit medizinischer Expertise, Erfahrung und einem offenen Ohr – denn der Weg zur Schwangerschaft ist oft ein Prozess, der Vertrauen und eine kompetente Begleitung verdient.